Reflektion.
Umgeben von Wasser.
Eingehüllt, die Ohren mit Wasser vollgelaufen, bis die letzte Luftblase sich ihren Weg durch die Wassermoleküle an die Oberfläche bahnt und zerplatzt.
Nur ich. Ich mit mir. Die einzigen Geräusche sind mein Atmen und mein Herzschlag. So komme ich an mich heran. Jede Art von äußerlichem Input abschalten, sodass mein Gehirn nur mit mir und meinem Körper zutun hat und sich nicht mit unwichtigen Nebengeräuschen oder anderen Menschen ablenken kann.
Nur ich. Nackt auf dem Boden der Tatsachen. Unverblümt. PENIS.
Vielleicht fühle ich mich deswegen im Wasser so wohl. Weil es die einzige Möglichkeit für mich ist, an mich selbst heran zu kommen.
Ich merke, wie bei manchen Gedankengängen mein Herz schneller schlägt. Ich bin aufgeregt, weil mein Denken in neue Richtungen geht. Ungewohnt.
Nicht zugänglich.
Ein Freund einer Freundin ist zu Besuch. Ich mag ihn. Er ist nett und symphatisch.
Wir sitzen am Tisch. Jeder hat Spaß und etwas zu erzählen.
Ich nicht. Ich sitze auf dem Sofa, mitten in der Runde und fühle mich unwohl. Warum? Weil ich nichts zu erzählen habe. Mein Kopf ist wie leergefegt. Also lasse ich es. Fühle mich schlecht.
Es fängt an mich zu erdrücken. Ich muss den Raum verlassen. Sitze nun viel zu lange auf dem Klo und starre die Wand an. Aber es könnte jemand kommen, der ebenfalls seine Notdurft verrichten muss. Also ziehe ich um ins Bad. Stehe vor dem Spiegel. Sehe mich an. Den unzufriedenen, unglücklichen, aber gutaussehenden Mann, der von außen so einfach und interessant wirkt, aber von innen ein Schlachtfeld aus verstümmelten Gefühlen und Gedanken ist. Umzäunt mit Maschendrahtzaun, sodass niemand das Schaubild verändern kann. Nicht einmal ich selbst. Der alles hat, was ihn glücklich machen könnte, doch mit sich selbst unglücklich ist.
Ich denke nach. Ich brauche eine Beschäftigung, um nicht zurück in meine persönliche Hölle zu müssen. Ich dusche. Setze mich in die Sitzwanne und stelle den Duschkopf nach unten, sodass ich vom viel zu warmen Regenschauer umhüllt werde. Genau wie im Film. Dramatisch. Gut. Genau das brauche ich gerade.
Ich sitze da und umschließe mit den Armen meine Beine. Höre dem Regen zu. Höre die anderen, gut gelaunt, im Esszimmer sitzen.
Es überfällt mich. Ich sitze nicht mit da. Ich bin nicht gut gelaunt. Ich rede nicht. Ich lache nicht. Ich gehöre nicht dazu. Mache mich selbst zum Außenseiter, der ich immer war, aber kann nichts dagegen tun.
Ich schluchze, ich weine. Meinen ganzen Körper durchzuckt das Wimmern meines traurigen Selbst. Es hört nicht auf. Niemals. Ich höre sie immernoch. Es macht mich wahnsinnig. Ich decke meine Ohren mit der hohlen Hand ab, lasse den Regen darauf prasseln und bin nun allein. Allein.
Allein.
Einsam.
Und es hört immernoch nicht auf.
Als könnte nichts helfen. Als könnte mich nichts beruhigen. Der Stein ist ins Rollen gebracht und hält nicht an. Tief Luft holen. Ein. Aus. Besser. Nein, schlechter. Ich brauche es. Warum sollte ich mich beruhigen? Es tut gut, endlich einmal nach außen zu tragen, was in mir vorgeht.
Er kommt. Fragt ob er mit rein dürfe.
Nein, darf er nicht. Aber ja, soll er. "Nein, ich will allein sein."
Ich könnte sein Gesicht nicht ertragen, wenn er mich als Häufchen Elend in der Dusche sitzen sieht. Er müsste vermutlich sogar lachen, da es so lächerlich filmreif aussieht, sodass sogar ich selbst lachen müsste, wenn ich mich so sehen würde.
Ich bleibe sitzen. Er geht. Ich fahre mit den Händen in meinen Nacken. Es überkommt mich wieder. Ich will mir die Haut vom Körper reißen und endlich offenbaren, was wirklich in mir steckt. Was ich sein kann. Wie ich glänzen könnte. Ich will im Mittelpunkt stehen. Beliebt und gemocht sein. Symphatisch auf fremde Leute wirken, sodass sie sich mit mir anfreunden wollen. Dass man einfach mit mir befreundet sein will. Aber mein Geist hält mich davor ab. Verwandelt meinen Körper in ein Gefängnis aus Fleisch und Knochen.
Sie kommt. Fragt mich, ob alles in Ordnung sei. Ich sage ja. Lüge. Aber etwas anderes würde nichts ändern. Sie weiß, dass nichts in Ordnung ist.
Ich gehe aus der Dusche. Er muss noch duschen.
Stehe wieder vor dem Spiegel. Sehe mich an. Meine blutunterlaufenen, aufgequollenen, braunen Augen, mein rot angelaufenes Gesicht. Ich will nicht raus. Ich habe Angst.
Aber ich muss durchgehen. Muss an ihnen vorbei. Warte sogar ab, bis es weniger sind. Ich merke, dass sie auf die Toilette geht und ich ergreife die Chance, gehe durch die Küche ins Esszimmer. Ihr "Freund" sitzt mit dem Rücken zu mir. Gut. Gegenüber sitzt er. Sieht nicht hoch. Gut. Ich bin so lächerlich.
Ich gehe den kürzesten Weg, den ich gehen kann, an ihnen vorbei, durch die Tür und stehe im Flur. Er tut mir leid. Er weiß nicht, wie er mit mir umgehen soll. Ich würde ihm so gerne helfen, aber ich weiß selbst nicht einmal, wie ich damit umgehen soll.
Zigaretten. Mist. Sind noch im Esszimmer auf dem Tisch. Mitten im Raum. Der schlechteste Ort, für etwas, das ich noch holen muss, überhaupt.
"Wo ist er?" Sie fragt nach mir. Nein. Nein. Nein.
"Weg." sagt er. Nein. Nein. Nein.
Sie läuft zur Tür, ich von der Tür weg. Ins Wohnzimmer. Will gerade die Tür zu machen. Ich höre, wie die Esszimmertür sich öffnet. Egal. Bleibt sie eben offen. Ich gehe durchs Wohnzimmer in den Zwischenraum. Kurz bevor ich ihn erreiche, öffnet sie die Wohnzimmertür. Zum Glück ist es dunkel. Sie sieht mich nicht. Ich bin im Zwischenraum. Sie macht das Licht an. Ruft mich. Scheiße.
Ich gehe zu ihr. Sie sieht mich. Meine verhäulten Augen, mein rotes Gesicht. Sie kommt her und umarmt mich. Ich fange wieder an zu weinen. Sie redet mit mir. Aber niemand versteht wirklich mein Problem. Weil ich es selbst nicht so recht verstehe. Oder es einfach nicht in die dafür passenden Worte packen kann.
Ich bin nicht zugänglich für mich selbst.
Stalking.
Du siehst ihn. Im ersten Moment ist es, als würde dein Herz in Flammen aufgehen und in viele kleine, brennende Teilchen explodieren. Dann siehst du den anderen. Schlagartig verwandeln sich die lodernden Flammen in viele spitze Eiszapfen, die sich in alle Richtungen in dein Fleisch bohren.
Oft warst du in der Nähe von Plätzen, an denen ihr wart, nur um von einer kleinen Entfernung hin zu sehen, ob er da ist und falls ja, war die Entfernung nie groß genug, als dass er dich nicht hätte sehen können.
Es sind physische Schmerzen, wenn du ihn siehst und doch kannst du es nicht lassen. Es ist, als würdest du nach der Trennung zum Masochisten mutieren.
Du stalkst fast täglich seine Profile in sämtlichen Dating-Foren, um zu sehen, was er macht, ober schon einen neuen Kerl hat, ob er auch auf deinem Profil war, oder ob das Spiel der Verzweiflung nur du allein spielst. Meistens ist das genau so. Und doch lässt du es nicht.
Du würdest ihn so gerne beschreiben, wie ein weißes Stück Papier, nur um ihn wieder zurück nehmen zu können.
Aber das Blatt ist schon beschrieben. Von Kugelschreibern in allen möglichen Farben und meistens mit hässlicher Handschrift.
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