Montag, 10. November 2014

Schwarz.

Mit der scharfen Spitze meiner Feder reisse ich dir die Wörter in die Haut. Alles was dich ausmacht. Alles was du bist.
Nur ein Flüstern geht dabei durch den Raum, während schwarzer Rauch sich über deinen Körper hebt und die dunkle Schlacke, die aus deiner Haut sickert, zu Boden tropft. Jedes 

abschäuliche Wort, dass mir einfällt, jedes abstoßende Adjektiv und jedes ekelerregende Nomen, dass aus meinen Gedanken trieft wie Erbrochenes aus den Mundwinkeln eines 

betrunkenen Penners, verewige ich in deinen Armen, deinen Beinen, in jedem einzelnen deiner Haare und in deinem wunderschönen Gesicht.
Deine Augen, geschwärzt durch die Tinte meiner Feder.
Deine Haut, durch verborgene Buchstaben im Licht eisern glänzend.
Dein Mund, umrandet durch zwei geschwungene Linien, geschnitten in dein Fleisch.
Der Raum ist dunkel. Nur das kalte Licht einer Lampe ohne Lampenschirm auf dem Tisch neben deinem Gesicht. Du blickst mit stummen Schreien in mein Gesicht, während ich meine 

Arbeit fortsetze. Schweiß tropft von meiner Nase hebt manche Stellen durch rotes Brennen in deiner Haut hervor. Das Flüstern kommt von mir. Jedes Wort und jeder Letter schleicht 

von meinen Lippen in mein Tintenglas und füllt es immer weiter. Oh glaub mir: an Material für deinen Einband mangelt es mir nicht, wispere ich dir zu und dein Blick wird verzweifelter. 

Die Buchstaben deiner Haare rascheln, während du versuchst dich zu wehren. Aber es wird nicht helfen, du Narr. Nicht nur deine Fesseln, sonder alles, was du siehst stammt aus 

meiner Feder. Selbst der Dreck unter deinen Nägeln und jede einzelne deiner Falten.
Und während ich dich kreire, erleichtere ich mich damit. Alles was dich ausmacht schwindet aus mir. Du bist ein Teil von mir und ich ein Teil von dir. Aber niemand wird es erfahren.
Ich erschaffe dich, um dich zu zerstören. Ich werde dich vollenden und wenn es mich noch so viel Zeit kosten mag und werde dich wegsperren. In irgendeinen Keller, in dem du dann 

den Rest deines Daseins deinem Geflüster und Gewisper lauschen kannst. Langsam verrückt werdend, bis du schließlich versuchen wirst dir die Buchstaben aus der Haut zu kratzen 

und dir die Worthaare auszureißen. Die Schlacke, die dabei zu Boden tropft wird dich nach einer Zeit nicht mehr interessieren. Du treibst es so weit, dass deine Arme und Beine bis 

auf die Knochen abgerieben sind. Der Boden ist getränkt in deinem schwarzen Schlamm und du verreckst elendig.
Irgendwann reißt du dich entzwei, nur um erneut von mir erschaffen zu werden. 

Aber das liegt noch vor uns, mein Lieber.
Noch liegst du auf meinem Tisch. Noch bist du unvollendet. Noch bist du eins meiner Kinder. Große Teile deines Körpers sind noch unbeschrieben und benötigen meiner Zuwendung. 

Alles kann passieren, bis ich dich vollende. 
Aber eins bleibt sicher: 
Die Tinte, mit der du geschrieben wirst, bleibt schwarz.

Und als der letzte Tropfen durch die glühende Spitze meiner Feder sickerte, war mein Meisterwerk vollbracht. Es warst du, in all deiner Vollkommenheit und all deinen Fehlern. Nach mir 

geschaffen. Ein Abbild meiner Seele.
Als würde ich in einen schwarz-weißen Spiegel blicken. Die Schatten unter meinen Augen sind überlappender Wörter unter deinen. "Schuld, Einsamkeit, Angst" kann ich noch 

erkennen, der Rest ist zu einer perfekt ineinander übergehenden Masse verschmolzen, der deine Schatten bildet. Deine Kleidung ist wie eine Patchworkdecke aus kalten Erinnerungen 

und schwarzen Stunden. Deine Augen starren mich schwarz und unbewegt vom Tisch aus an. Keine Glanz, kein Leben, kein Nichts.

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